Bis zum Jahr 2015 soll der Mindestlohn in Deutschland eingeführt werden. Doch nicht nur Studenten oder Rentner werden von der gesetzlichen Lohnuntergrenze nicht profitieren, auch viele Selbstständige müssen weiterhin mit weniger auskommen.
Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), diese liegen der „Welt am Sonntag“ exklusiv vor, verdient etwa ein Viertel der deutschen Selbstständigen weniger als 8,50 Euro in der Stunde. Dies entspricht 1,1 Millionen Deutschen. Am untersten Einkommensrand befinden sich dabei besonders oft freischaffende Künstler, Geisteswissenschaftler, die etwa als Lehrer an Volkshochschulen arbeiten oder selbstständige Kosmetikerinnen. Auch Akademiker sind betroffen, vor allem bei Start-ups müssen lange Durststrecken überwunden werden, bevor Anteilsverkäufe so viel Geld in die Kassen spülen, dass Gehalt ausbezahlt werden kann. Vor allem betrifft es aber Solo-Selbstständige, nach vorigen Berechnungen des DIW aus dem Jahre 2012 verdienen etwa 770.000 der 2,5 Millionen Kleinunternehmer weniger als den Mindestlohn. Auch Selbstständige mit Angestellten sind betroffen. Dabei übersteigen die Wochenarbeitsstunden oftmals die eines durchschnittlichen Angestellten um ein Vielfaches. Eine Studie der EBS Business School in Oestrich-Winkel zeigte etwa, dass Kioskbesitzer 82 Stunden in der Woche arbeiten. Dennoch leben viele von ihnen am Existenzminimum. Aber es gibt auch die Gutverdiener, nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes verdienen 13 Prozent der Selbstständigen mehr als 30 Euro in der Stunde. Nur vier Prozent der Angestellten erreichen diesen Wert.
Wenig Umsatz und geringe Kreditbereitschaft für Alleinunternehmer
Viele schaffen nicht einmal einen fünfstelligen Jahresumsatz – und müssen von diesem noch Büromaterialien, Mobiliar und Kosten für Krankenkasse und Rentenversicherung bezahlen. Bei diesen Selbstständigen sieht es langfristig düster aus, denn Rücklagen für Nachforderungen vom Finanzamt, die private Altersvorsorge oder wichtige Investitionen können kaum gebildet werden. Hinzu kommt, dass viele Banken nur ungern an Selbstständige Kredite vergeben. Während Existenzgründer durch Banken und Stiftungen noch vergleichsweise gut unterstützt werden, ist es bei Solo-Unternehmern mit schwankendem Gewinn schwierig. Dabei sind diese vor allem in den ersten Jahren auf Kredite angewiesen, wie eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) belegt. Demnach nehmen 18 Prozent der Gründer Kredite in Anspruch, 33 Prozent nutzen Ersparnisse aus vorigen Arbeitsverhältnissen oder leihen sich Geld von Freunden und Verwandten, bis das Unternehmen höhere Gewinne abwirft. Selbstständige mit einem Verdienst von 1.032 netto – dies sind laut DIW zehn Prozent – werden es mit einer Kreditzusage aber sehr schwer haben.